2.4.–5.4.1801
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Den 2–5 April.
An die l[iebe] Frau Gvatter Schultheß619
Barbara (Bäbe) Schulthess, geb. Wolf (1743-1818), Freundin Goethes und Mittelpunkt des schöngeistigen Zürichs, Mutter von Georg Gessners erster Frau, Patin von Schweizers jüngstem Kind Dorothea; HBLS VI, 255.schliessen
im Schönenhof, da den 2 April ihre schon lange Zeit kränkelnde Tochter Dorothea620
Dorothea Schulthess (gest. 1801), Tochter der Barbara Schulthess-Wolf.schliessen
starbe.
"Ueber diese festlichen Tage bekamen Sie eine Leiche ... darf ich sagen – Etwas Herrliches!
Ach in diesen Tagen wer gelüstet nicht – zusehen des Herren Leiche!
Der Schatten davon in wem kan er uns besser gezeigt werden – als in einer Menschenleiche?
denn er ward eine Menschenleiche.

Ueber diese festlichen Tage bekamen Sie eine Leiche –
Ach, eine nahe nahe Tochterleiche –
zum dritten Male nun!
Eine Leiche von einem Menschen aus Ihnen!
Nicht sag ich – gleich der Maria –
die am Sohn ihres Blutes
Eine Leiche bekam,
da er gekreüzigt ward
Auf Golgatha's Hügel!
Aber immer darf ich sagen:
Eine Leiche von Fleisch u. Gebein so nahe Ihnen,
Wie's Kind der liebenden Mutter je nahe seyn kan!
Eben diese festlichen Tage, die nicht bloß Leidens u. Todes-Tage –
die auch Auferstehungstage – Tage sind des frohen Wiedersehns:
Eben diese festlichen Tage könen Sie aufrichten u. trösten
In Ihrer Trauer über die freüdig Verstorbene.
Welch ein Labsal für Sie – vom Herrn Gebeügte!
daß diese Theüre, nachdem sie ihr scheiden im Licht erblikt,
So gern heimgieng! Heimgieng mit dem sie hinüber tragenden
Bewußtseyn, daß dort – dort von den Ihrigsten sie finden werde!
Mit dem ihr Heimgehn erleichternden Bewußtseyn,
daß ihre zurük gelassnen Lieben ihr bald nachfolgen werden.
Süsses bald – wie schnell ists erreicht! und dann sind wir wieder
Bey einander! sind ewig bey dem, der unsers ewigen Lebens,
Unsrer Unsterblichkeit einziger unversiegbarer Quell ist!"

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