1.11.–15.11.1803
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Wintermonat vom 1 bis 15.
Von diesen Tagen hebe ich folgendes Geschichtliche heraus.

Am Montag den 7 –
Morgens ward uns angezeigt, daß die vorige Nacht in unserm gestekten Oehlsaamen1829

Wohl Raps.schliessen
übel gehauset worden sey: wir giengen hin, den Plaz zubesichtigen; u. wir fanden, daß ein Drittel ausgerauft seyn möge, u. glaubten dabey viele Weibertritte zubemerken.
Ich liesse so gleich den Hauser1830
Hans Heinrich Hauser, Präsident des neuen Gemeinderats von 1803.schliessen
u. Hürlimann1831
Hans Caspar Hürlimann, Stillstandspräsident 1800-1802, ab 1803 Gemeinderat und Friedensrichter.schliessen
kommen, um die Sache zubeaugenscheinigen: sie schäzten den Schaden um 2 Frk.1832
Vermutlich die während der Helvetik eingeführte neue Einheitswährung: 1 Schweizerfranken (6? g fein Silber) = 10 Batzen = 100 Rappen. Sie wurde später wieder durch die frühere Währung (Gulden - Pfund - Schilling) ersetzt; erst mit dem neuen Bundesstaat von 1848 trat das das heutige Währungssystem in Kraft.schliessen
redten anbey sehr verdekt u. Geheimnißvoll, "daß es gut wäre, wenn von Zürich aus erkennt würde, daß die ganze Gemeine dem Hauser seine Scheüne vergüte; was ich ammeisten bewirken köne: u.s.f." ich sagte, "das stehe mir eigentlich nicht an; viele meiner Gemeinsgenoßen könnten mirs übel nehmen: warum auch ich immer alles betreiben müsse?" sie sagten: "Der Gemeindrath habe dies Ansuchen schon an den Stadthalter1833
Johann Wild, von Richterswil, Unterstatthalter des Bezirks Horgen 1803/04; HBLS VII, 533.schliessen
gethan: ich dürfte allso nur fragten,1834
Vermutlich Verschrieb für: fragen.schliessen
ob ders rapportirt habe? u. warum ihrem Ansuchen nicht entsprochen werde?" ich erwiederte: ich wolle schauen, was zuthun seye: worauf Hauser von uns gieng, u. Hürlimann bey mir stehen blieb. Dem legte ich nun die ernste Frage vor – "warum sie auch so geheim gegen mich thuen? warum Hauser mir heüte zum 2ten Mal gesagt habe – sie wollen gern all ihr mögliches zu meiner Sicherheit thun, wenn nur mein u. der Meinen Leben unangefochten bleibe?" Hürlimann war etwas betroffen, u. sagte mir endlich –
Der Stadthalter Wild1835
Johann Wild, von Richterswil, Unterstatthalter des Bezirks Horgen 1803/04; HBLS VII, 533.schliessen
habe dem Hauser am Freytag, da er hier war, im geheim entdekt: "es hab ihm einer aus der Beichlen1836
Hof im Wädenswiler Berg.schliessen
angezeigt, daß eine Schrift cirkulirt sey, in der sich mehrere aus verschiedenen Gemeinen unterschrieben, das Pfarrhaus im Hirzel in Brand zusteken: dies hätte Dienst[ag] den 18 v[om] M[onat] allso am Hochzeittag meines l[ieben] Schwagers vollzogen werden sollen: allein, der hiessige Lieüt. Grob1837
Hans Ulrich Grob (* ca. 1753), im Bockenkrieg auf der Seite der Aufständischen, danach verurteilt und eingekerkert im Oetenbach; Leuthy, Vollständige Geschichte von dem Bockenkrieg, 139; Graber, Zeit des Teilens, 506.schliessen
liesse der Rott entbieten, daß es diese Nacht nicht geschehen könne; drauf seyen die Unterschriebnen hievon abgestanden, u. räthig geworden, am Donstag dem Hauser seine Scheüne anzuzünden: der aus der Beichlen wolle schauen, daß er ein solches Verzeichniß bekomme, u. dann woll ers ihm überbringen."
Dies sey, was ihm Hauser entdekt, aber ihm sehr eingeschärft habe, keinem Menschen etwas davon zusagen, ich solle mich doch gegen Hauser nichts vermerken lassen.
Ueber diese Anzeige erschrak ich, u. wurde so gleich voll Zweifel, ob ich Morgen, wie ich Willens war, in die Stadt gehen köne: ich hatte keine Ruhe, bis ich meine Nette1838
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
u. Sette1839
Elisabeth Gessner (1755-1831), Schweizers Schwägerin, Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, lebte seit der Heirat Schweizers mit Anna Gessner 1785 in deren Haushalt; vgl. Hauschronik 33, 91.schliessen
allein hatte u. ihnen diese Sache erzählen konte. Sie erschraken nicht so sehr darüber wie ich, u. festneten sich u. mich in dem Glauben, daß unser Gott einen so verruchten Plan nicht werde gelingen laßen; ich köne gewiß gleich in die Stadt gehen; sie fürchten sich nicht: u. so ermunterten sie mich, daß ich auch wieder froh wurde: wir fandens aüßerst bemerkenswerth, daß nicht bloß die bösen Hirzler, sondern die bösesten Revolutionairs aus der See- und Berggegend auf mein Verderben u. Untergang bedacht sind, u. sich dazu unter einander verbinden. Warum bin ich auch unter allen Pfarrern der einzige, der von der Anarchiewuth immer noch verfolget wird, u. von ihr nicht erlöst werden kan??

Dienstag den 8
Kame Gv. Schuhlmeister,1840

Hans Heinrich Strikler, Schulmeister und Gemeindeschreiber (Secrétair) im Hirzel, aktiv von 1785-1810, dann von seinem Sohn Jakob abgelöst; vgl. Hauschronik, 49.schliessen
u. eröfnete mir, er glaube, man sey auf der Spuhr, wer den Oehlsaamen ausgerauft habe: es seye gestern Nachts ein Mann bey ihm gewesen, der hab ihm im Vertrauen u. unter Verschweigung seines Nammens gesagt: "Die Huberin, die beym Zuber zu Hause sey, deßen Töchtern, u. die beyden Landiskinder in der vordern Seiten,1841
Hof wenig östlich von Hirzel-Kirche (freundl. Auskunft von Jürg Winkler).schliessen
die am Sontag-Nacht beym Baurli1842
Im Hirzel seit Mitte des 18. Jh. gebräuchlicher Übername für Angehörige der Fam. Huber auf der Vorderen Höhe.schliessen
am Erdepfel-Krähhanen1843
Schlussfest nach der Kartoffelernte.schliessen
gewesen, u. da sich voll getrunken, haben diesen Frevel begangen, indem sie mit jauchzen u. Lerm von diesem Ort weggegangen, u. durch das Pfarrgut die Landiskinder heim begleitet haben; das wiße er von sicherer Hand, u. er zeige es ihm an, daß eine Untersuchung angestellt werde: es seye einmal dem Hrn. Pfarrer genug geschändet."
Ich ersuchte hierauf den Schuhlmeister, dies dem Praes. Hauser so gleich anzuzeigen, u. ihn in meinem Nammen zubitten, daß er in Gemeinschaft mit dem Gemeindammann ein Verhör mit diesen Leüten in der Stille aufnehme.
Schuhlmstr thate dies, u. Hauser versprachs. Allein, da ich mich Nachmittag reisefertig machte, um mit dem Nettli1844
Anna Schweizer (1787-1837), zweitälteste Tochter von Diethelm Schweizer und Anna, geb. Gessner, verh. 1810 mit Heinrich Morf, 1816 geschieden; Hauschronik, 34, 72ff.schliessen
in die Stadt zugehn, kam Hauser u. zeigte mir an, er habe sich so eben entschlossen, mit dem Richter Höhn1845
Jakob Höhn, Alt-Richter, 1803 zum Gemeinderat gewählt; vgl. Hauschronik, 47ff.schliessen
ihres Zehnden halben diesen Nachmittag noch in die Stadt sich zubegeben; er habe die Untersuchung wegen dem ausgerauften Oehlsaamen dem Hürlimann übergeben; u.s.f. Ich musste es gehen lassen, u. noch dazu diese beyden Männer zu Reisegefährdten annehmen: doch stiessen sie erst im Forst zu uns, wo wir erst von allerhand fernern Sachen redten; endlich fieng der Richter Höhn von dem neüen Frevel an reden; er bezeügte sein Mißfallen darüber; jedoch, fügte er bey, falle eine Untersuchung schwer, indem der Mann, der diese Sache angezeigt, seine unlautern Absichten dabey haben könne. "Die gehen, erwiederte ich, den Gemeindrath nichts an: wenn er izt seine Pflicht nicht erfülle, u. die geringste Beschädigung wieder geschehe, so fordere ich nach der Erkantnuß des kl[einen] Rathes, daß die Gemeindwache wieder organisirt werde." Hierüber erschroken sagte Hauser – er wolle Herrn Rathsherrn Rahn1846
Salomon Rahn (1766-1836), Sohn des Hans Heinrich (1734-1796); 1794-1798 Landschreiber der Grafschaft Baden, 1803-1836 Mitglied des Grossen Rats, 1803-1831 des Kleinen Rats. Rahn war Vorsteher der Justiz- und Polizeikommission; HBLS V, 521.schliessen
etwas von der Sache sagen: Höhn nahm ihn ab,1847
Wohl im Sinne von: mahnte davon ab.schliessen
u. bath auch mich, nichts von der Sache zusagen; ich versprachs einstweilen.
Wir waren izt auf Kilchberg gekommen, und [82] weil Herr Pfarrer1848
Hans Heinrich Wirz (1756-1834), Sohn von Hans Konrad Wirz (1726-1794), Pfr. in Kilchberg; verh. mit Anna Füssli (1768-1842), Tochter von Obmann Füssli; ord. 1776, Weiterstudium in Halle 1777-1778, Vikar in Kilchberg (Vertretung des kranken Vaters), 1794-1834 Pfr. in Kilchberg; 1795 Schlichtungsversuch im Stäfner Handel, Freundschaft mit Lavater und enge Beziehung zu Pfr. Schweizer während dessen Hirzler Zeit; Literaturvermittlungstätigkeit; Memorabilien der Zeit; Hauschronik, 60f.; Wernle III, 310ff.; ZhPfrB, 623.schliessen
eben im Garten war, nahmen wir Abschied von den Männern, u. giengen zu ihm, u. mit ihm in sein Haus, wo wir eine Stunde bey ihm u. bey seiner Frau blieben, aber dann uns aufmachten, um nicht gar zu spath in die Stadt zukommen: nach 6 Uhr langten wir beym Kleinod1849
Haus am Rennweg 10, das über Generationen im Besitz der Familie Keller vom Steinbock war. Zu jener Zeit wohnten die "Jungfer Tante" Anna Barbara Keller (1735-1810) und von Elisabeth Gessner-Kellers (gest. 1797) Kindern nur noch Dorothea (Döde) dort.schliessen
an, u. da war eben auch der l[iebe] Onkle Jaque,1850
Jakob Gessner d.Ä. (1759-1823), Schweizers Schwager, Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, verh. 1803 mit Anna Schulthess; Offizier in holländischen Diensten bis 1795, Oberrichter in Zürich, 1803 Stadtrat, 1805 Statthalter des Bezirks Zürich; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
mit dem ich so gleich über den Auftrag redte, den ich vom hiessigen Gemeindrath wegen der Vergütung der hauserischen Scheüne hatte: er sagte – das gehe mich nichts an, ich solle mich hierein nicht mischen: das sey die Sache des Gemeindraths: überhaupt hab ihm Hr. Rathshr. Rahn erst neülich gesagt, er solle mir schreiben, daß ich nun ruhig u. still seyn soll, da des Hubers Sachen nun ans Distriktgericht gewiesen seyen: u.s.f. Dies war mir nun ganz recht gesprochen; u. ich nahm mir vor, nun zu keinem Herrn der Polizey-Commission zu gehen: was ich auch hielte.

Am Mitwoch den 9
Schrieb ich an meine Lieben nur diese wenigen Zeilen ...

"Meine Geschäfte hier in der Stadt werden bald berichtigt seyn: wills Gott bin ich künftigen Freytag Abend bey guter Zeit wieder bey eüch: u. bis dann u. aber auch nachher weiter wird der Herr bey eüch seyn! Ja, der wird für eüch wachen, u. eüch kein Leid wiederfahren laßen – Truz allen Plänen, die im Finstern geschmiedet werden. Es wird und muß einmal genug werden! wir wollen nur nicht laß1851
nachlässig; Grimm 12, Sp. 268.schliessen
im Gebeth werden; das hat uns bisher mächtig gestärket u. durch geholfen: gelobet seye der, der uns bethen gelehret hat!"
Heüte war ich nirgends als im Schönhof1852
Stadthaus der Barbara Schulthess-Wolf, an der Ecke Kühegasse (heute Rämistrasse) – Stadelhofgasse gelegen. Seit seiner Heirat mit Anna Schulthess wohnte auch Jakob (Jaque) Gessner dort.schliessen
u. auf dem Graben:1853
Haus der Familie Gessner am oberen Hirschengraben; dort wohnten Hans Caspar Gessner und Bäbe, geb. Hess mit ihren Kindern; nach deren Tod bezog es die mit Johann Wichelhausen verheiratete Tochter Elisabeth Wichelhausen, geb. Gessner; nach deren Hinschied ging das Haus in den Besitz von Johann Bernhard Spyri und Johanna, geb. Heusser über.schliessen
u. Abends wieder beym Kleinod, allwo ich das Tagbuch bis hieher schriebe.1854
Ebenfalls vom 9. November ist ein Brief Schweizers an Dekan Nüscheler vorhanden, in dem er ausführlich die ganze Geschichte des "Hirzler Sturms" vom Schmähbrief Hubers bis zur Gefangennahme Hubers schildert und auf insgesamt 12 Beilagen verweist, die sich alle im Nachlass gefunden haben und die hier in den Anmerkungen an den betreffenden Stellen nachgewiesen sind; ein ähnlicher Brief ging bereits am 2. November 1803 an Antistes Hess; vgl. FA Schweizer/Heusser, D III 2 (an Dekan Nüscheler), FA Schweizer/Heusser, D III 1 (an Antistes Hess).schliessen

Donstag den 10
Empfieng ich Morgens gleich nach 8 Uhr durch einen Schiffmann folgende Zeilen von meiner Nette.1855

Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
"Liebstes Herz! wir sind so wohl behalten über Nacht gekommen, wie wirs unter der gnädigen Bedekung unsers Gottes gewohnt sind. Es wäre unverzeihlicher Unglauben u. Schwäche, wenn wir uns vor den boshaften Plänen fürchteten, die oft gegen uns gemachet werden, da wir schon 1000 Mal erfahren haben, wie Er alles zerstöhrt, was wieder uns angeschlagen wird; u. mit seinem Einen Plan der Gnade u. Liebe gegen uns alle Pläne der Bosheit vereitelt: in Ihm sind wir ruhig!
Es ist in der Gemeine gar nichts vorgefallen. Lebe wohl – in Gott unsertwegen ruhig: seine Engel wachen treülich über uns u. unser Haus! Bethe mit u. für uns alle!
Deine Nette."
Nachdem ich meinen Lieben auf dies Briefgen, das mir den ganzen Tag über wohl machte, ein wenig zurük geschrieben, machte ich mich an die Besuche. Erst gieng ich zu Hrn. Antistes,1856
Johann Jakob Hess (1741-1828), seit 1795 Antistes; ihm hatte er am 2. November 1803 einen Brief geschrieben und ihm darin die ganze Geschichte seit des Schmähbriefs von Huber bis zu dessen Gefangennahme geschildert und mit 12 Beilagen dokumentiert; vgl. FA Schweizer/Heusser, D III 1.schliessen
den ich eben von einer Augenkrankheit wieder erhohlt antrafe. Er befragte mich um alles, wie es mir gehe, u. ich sagte ihm auch alles wie einem Vater: selbst den geheimen Plan wieder unser Pfarrhaus konnt ich ihm nicht verschweigen: er fand es sehr merkwürdig, und hoft, daß die Sache entdekt werden werde. Mit herzlicher Liebe entließ mich der liebe Mann. Von da gieng ich über den Graben, wo ich das Nettli1857
Anna Schweizer (1787-1837), zweitälteste Tochter von Diethelm Schweizer und Anna, geb. Gessner, verh. 1810 mit Heinrich Morf, 1816 geschieden; Hauschronik, 34, 72ff.schliessen
zu mir nahm, in Schönhof zum Mittageßen, u. sahe da erst eigentlich, wie der l[iebe] Onkle Jaque mit seiner Frau eingehaust ist. Auch war dem Lieben Geld für uns eingegangen, worüber ich sehr froh war. Aus dem Schönenhof gieng ich wieder auf den Graben, u. verabscheidete mich da; begabe mich dann ins Pfarrhaus Fraumünster,1858
Waaggasse 1/3, Amtswohnung von Hans Georg Gessner.schliessen
wo ich aber den Georg1859
Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
nicht sahe, sondern etwa eine Stunde bey der Nette1860
Anna Gessner-Lavater (1771-1852), Tochter von Johann Caspar Lavater u. Anna, geb. Schinz, verh. 1795 mit Hans Georg Gessner.schliessen
bliebe, die aber so geschäftig u. arbeitsam war, daß sie kaum einen Blik aufthate. Von da begab ich mich wieder zum Kleinod,1861
Haus am Rennweg 10, das über Generationen im Besitz der Familie Keller vom Steinbock war. Zu jener Zeit wohnten die "Jungfer Tante" Anna Barbara Keller (1735-1810) und von Elisabeth Gessner-Kellers (gest. 1797) Kindern nur noch Dorothea (Döde) dort.schliessen
wo ich das l[iebe] Em[manuel] Anneli1862
Gattin des Bauern Emmanuel Fenner (gest. 1801) aus Dübendorf, die sich dem religiösen Zirkel um Diethelm Schweizer angeschlossen hatte; vgl. Finsler, Georg Gessner, 19f.schliessen
antraf, das heüt in die Stadt kam, um Morgen mit mir, wie ichs bestellte, in Hirzel zugehen – was ich ihm aber absagen musste, weil's Nettli nicht mit mir heimgehen konnte: es nahms aber willig an, u. war ihm doch recht, daß es diesen Abend hieher kam: es übernachtete allhier beym Kleinod, u. wir waren noch etwas Zeit nach dem Nachteßen bey einander, u. unterhielten uns über Verschiedenes uns wohl u. wehmachendes.

Freytag den 11.
Schon vor 8 Uhr diesen Morgen hatte ich Bericht aus dem Hirzel durch Schuhlmeister, der im Schiff in die Stadt gekommen, u. mich des Wohlseyns meiner Lieben versicherte; mir auch in klagendem Ton sagte, daß der Gemeindrath im Hirzel noch nichts wegen dem Oehlsaamen untersucht habe: u.s.f. ich gab ihm das Geld, das ich ihm schuldig war, u. entließ ihn: bald nach ihm kam unser ordinaire Freytag-Bott,1863

Freitags(post)bote.schliessen
u. der brachte mir ein Briefgen von meiner Nette,1864
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
aus dem ich diese Gedanken heraus hebe:
"Wir sind Gottlob alle wohl, u. nicht das mindeste Böse ist uns begegnet. Ja wol ists eine herrliche Gaabe, daß der Herr uns bethen gelehret hat; u. daß Er die Gnade u. Liebe für uns hat, unsre Gebethe anzunehmen: ich weiß nichts, das mich aus allem, was uns drükt, so hebt, wie das liebe liebe Gebeth.
wie dumm unsre Vorsteher wegen dem Untersuch mit dem Oehlsaamen machen, wird dir Schuhlmeister sagen, wenn er dich noch antrift: ich mag mich gar nicht aufhalten; wenn man halt noch selbst in vielen Fällen in der Finsterniß handelt u. wandelt, so kan u. mag man andrer Werke der Finsterniß auch nicht gern ans Licht bringen: machen sie, was sie wollen; der Herr hat zu allem, ohne daß sie's wißen, seine Stunde: wir mögen wol warten.
Gebe unser Gott, der immer Vorsorg thate wenn er uns in Enge u. Klemme sah, daß du Auskunft1865
Abhilfe, Ausweg; Grimm 1, Sp. 898f.schliessen
findest, u. deßhalb mit erleichtertem Herzen heim kommen könest! Ach, wie ists so gut, alle Sorge auf Ihn zuwerfen!"
Daß es so gut bey meinen Lieben im Hirzel stand, das gab mir große Freüdigkeit auf den Weg zu ihnen. Nach halb 9 Uhr verabscheidete ich mich beym Kleinod, u. gienge noch ins Pfarrhaus, um den l[ieben] Georg zusehen, den ich während meinem izigen Aufenthalt in der Stadt noch nie gesehen: ich blieb noch da bis 10 Uhr, u. begab mich dann auf den Weg nach Bändlikon,1866
Bändlikon oder Bendlikon, heute eingemeindetes Dorf am linken Seeufer, das zur politischen sowie zur Kirch- und Schulgemeinde Kilchberg gehört, Wohnort von Anna Margaretha (Grite) Keller und Anna Catharina (Cäther) Nägeli, vorher Brunner, geb. Keller.schliessen
der diesmal zimlich Geraüschvoll war, weil um des Martini-Tags willen1867
Der Martinstag bildete den Abschluss des landwirtschaftlichen Pachtjahres und war daher Tag des Erntedanks, Zinstermin und Markttag.schliessen
viele Leüte in die Stadt giengen: gleichwohl amüsirte es mich, bey so vielen verschiedenen großen u. kleinen, reichen u. armen, genügsamen u. gedrükten Menschen, vorbey gehen zu müssen.
Bald nach 11 Uhr war ich in Bändlikon, wo ich von den Lieben daselbst mit Liebe aufgenohmen ward: die l[iebe] Grite1868
Anna Margaretha (Grite) Keller (1763-1820), Tochter von Elisabeth Gessner-Kellers Bruder Pfr. Heinrich Keller; vgl. auch Hauschronik, 67; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
sah nicht wohl aus: es1869
Mundartl. Neutrum für das Femininum: sie.schliessen
sagte auch, es habe gar keine gute Woche gehabt, u. befürchtet, daß es für gut1870
Mundartl. Verstärkung: richtig, wirklich.schliessen
krank werde: jedoch sey's izt wieder beßer: mit ihm u. der l[ieben] Cäther1871
Anna Catharina (Cäther) Nägeli, geb. Keller (1764-1818), Schwester von Anna Margaretha (Grite) Keller, verh. mit 1) 1790 Pfr. Caspar Brunner (gest. 1793), 2) 1800 Rudolf Nägeli; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
aß ich allein zu Mittag; u. da erzählte ich den Lieben viel von unsers Jaquens Hochzeit u. auch von dem lieben Sailer.1872
Johann Michael Sailer (1751-1832), Theologieprofessor an der kath. Universität Dillingen, wurde wegen seines "Evangeliums" des Amtes enthoben. 1800 Professor an der Universität Landshut und 1822 Koadjutor des Bischofs zu Regensburg, 1829 dessen Nachfolger. Sailer war seit 1778 mit Lavater bekannt und übertrug seine Freundschaft zum Zürcher Pfarrer auch auf dessen Familie; vgl. Horst Weigelt, Lavater und die Stillen im Lande, 140-145.schliessen
Nach halb 2 Uhr schied ich von diesen Lieben, u. eilte nun dem Hirzel zu, wo ich um 6 Uhr eintraf, u. die Meinen alle froh u. munter antraf: u. ich meinem Gott dankte, daß Er mich wohlbehalten wieder in ihre Mitte zurük führte.

Samstag den 12.
Schuhlmeister redete heüt nach der Unterweisung weitlaüftiger mit mir über die Nachläßigkeit des hiessigen Gemeindrathes wegen dem Untersuch des beschädigten Oehlsaamens: er köne, sagte er, die Sache nicht ligen laßen; was ihm angezeigt worden, das rühre von einem Ehrenmann her; u. wenn man auf solche Anzeigen hin nichts thue, so werde überall1873

überhaupt.schliessen
nichts mehr angezeigt, u. so bleibe alles ungeahndet, u. alles werde je länger je frecher u.s.f. Die Richtigkeit dieses Raisonnements sah ich ganz ein, u. entschloß mich, noch ein Schreiben an den hiessigen Gemeindrath dieser Sache halben zumachen: so bald ich heim kam, machte ich dies Schreiben, u. rüke es hier ein ...
"Endsunterzeichneter deklarirt einem ehrs. Gemeindrath im Hirzel daß er in der sichern Erwartung stehe, daß der in der Nacht v. 6 auf den 7 Winterm[onat] verübte Frevel in dem Oehlsaamen im Pfarrgut nach der Anweisung, die von einem Ehrenmann dem hiessigen Schuhlmstr. H[an]ß H. Strikler gegeben worden, gehörig untersucht werde: wiedrigen Falls dies nicht vollzogen wird, u. die geringste Beschädigung an hiessigem Pfarrhaus u. in hiessigen Pfarrgütern in Zukunft geschiehet, wird ganz nach der Erkantnuß des kl[einen] Raths v. 11 weinm[onat] gehandelt, u. die Gemeindwache aufs neü organisirt werden.
Um mich vor aller Verantwortlichkeit wegen der allfällig neü zu organisirenden Gemeindswache zuverwahren, fordere ich, daß dies mein Ansinnen dem hiessigen Gemeindsprotokoll einverleibt werde.
D. Sch. Pfr.1874
Ein Entwurf zu diesem Brief befindet sich im Nachlass; FA Schweizer/Heusser, D III 25.schliessen

Hirzel
den 12 winterm[onat] 1803."
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[83] Sontag den 13
Predigte ich über Luk. VIII,16.1875

Luk. 8,16: "Niemand aber, der ein Licht angezündet hat, bedeckt es mit einem Gefäss oder stellt es unter ein Bett, sondern er stellt es auf einen Leuchter, damit die Hereinkommenden das Licht sehen."schliessen

Durch das Hören des göttl[ichen] Wortes, durch die Aufnahm des ausgestreüten Saamens deßelben in unsre Herzen empfangen wir gewisse göttl[iche] Gaaben.
a.) Licht, Verstand, Erkenntniß u. Wissenschaft in allen Religionssachen.
b.) Aufheiligung u. Aufreinigung unsers durch die Sünde verderbten Willens.
c.) Gebethslust, Unterhaltungstrieb mit Gott u. eine kindliche Vertrauensvolle Ergebung an Gott.
Unsre Pflicht bey diesen göttlichen Gaaben ist, mit denselben zuleüchten, d. h. mit jeder derselben unsern Mitmenschen zunüzen, zu deren Erbauung, Verbeßerung sie anzuwenden; diese göttl[ichen] Gaaben so viel uns möglich ist auf Wucher zulegen zur Vermehrung der Religionserkenntniß u. der Sittlichkeit, u. zur Anbauung des Reiches Jesu unter unsern Mitmenschen.
Dies war der Inhalt meiner heütigen Predigt über diesen Text.
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Montag den 14.
Vor- u. Nachmittag gelang es mir in der Repetierschule,1876

Seit der "erneuerten Schul- und Lehr-Ordnung für die Schulen der Landschaft Zürich" von 1778, die die allgemeine Schulpflicht für Kinder vom 6. bis 12. Altersjahr einführte, folgte auf die Alltagsschule neu die Repetierschule, die bis zur Konfirmation an ein oder zwei Halbtagen besucht werden musste.schliessen
mit einer erwekenden Anrede an die Kinder sie zu fleissiger Besuchung dieser Schuhle zustimmen: die Knaben so wohl als die Töchtern waren sehr gerührt; u. ich hoffe, diesen Winter über mit der Hilfe meines Gottes viel auf sie zuwirken: auch hatten die meisten zusamen geheftete Schriftenbücher bey sich, da ichs gestern nur beylaüftig verkündete, daß sie solche mit sich bringen sollen.
Abends war der Gemeindsammann Hürlimann1877
Hans Caspar Hürlimann, Stillstandspräsident 1800-1802, ab 1803 Gemeinderat und Friedensrichter.schliessen
bey mir, der sich sehr weitlaüftig entschuldigte, warum der Untersuch wegen dem beschädigten Oehlsaamen noch nicht vorgenohmen worden; er habe bisher keine Zeit dazu gehabt; u. dann müsse ihm der Gemeindrath helfen: u.s.f. ich sagte ihm, daß ich bey der dem Gemeindrath eingegebenen Schrift bleibe: übrigens aergere es alle Guten in der Gemeine, daß der izige Gemeindrath so lasch in Untersuchung solcher Sachen sey, denen man leicht auf die Spuhr kommen könne.
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Dienstag den 15.
Ueber diese Tage fällts uns oft auf, wie's vor einem Jahr bey uns gewesen um diese Zeit: die Rotte, die damals mit so frecher Stirn sich wieder mich erhoben, ist nun zerschlagen, u. muß gerade izt die Unkösten zahlen, die sie im lezten Winter toll u. unsinnig gemacht haben: die meisten sind dem Schuldenbott1878

Schuldeneintreiber.schliessen
angegeben, u. ihr Scheff sizt noch immer gefangen: wo's freylich diese Menschen nun neü wieder mich empören muß: Indeß sizen wir geschüzt u. gedekt, u. im Genuß eines ruhigen Gewissens still u. ruhig in unserm Gott u. freüen uns der größern Liebe aller Guten in unsrer Gemeine.
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