1.3.–6.3.1802
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Den 1–6 März.
Ich lebe bereits über 5 Jahre in meiner hirzlischen Gemeine, u. ich machte es mir zur Pflicht, meine Gemeinsgenossen recht viel in ihren Haüsern zubesuchen, besonders die Armen, Kranken, Elenden: beynahe jeden Monat durchwanderte ich so einmal meine ganze Gemeine, u. ahnete daher nicht nur nichts Böses, sondern ich glaubte allgemeine Zufriedenheit hierüber zubemerken: allein einsmals in diesen Tagen entstand das Gerücht: "Ich seye nie zu Hause, laufe immer nur herum, u. gehe anderm nach, u.s.f." Tief erschütterte mich dies Gerücht, was vielleicht noch vieles in sich enthalten mag, das man mir ungerecht zur Last legt. So bald ichs hörte, u. einer meiner l[ieben] Gemeinsgenossen es mir im Vertrauen sagte, ward der Entschluss bey mir fest, diese Gemeinsbesuche nun ganz einzustellen, u. mich allein auf die einzuschränken, zu denen ich berufen wird: Uebrigens mit meiner Haushaltung in der tiefsten Stille zuleben u. mit der mich abzugeben wie noch nie. Auch ward mir gesagt, daß unsre Gemeine sich sehr dran aergere, daß aus dem Pfarrhaus Niemand an die Leichenbegängnisse komme, u.s.f. Dies war nie unser Brauch: u. wenns meine Lieben izt anfiengen, so würden sie gewiss nur ausgelacht. Schwarz gekleidet wird die l[iebe] Mamma nun jedesmal in die Kirche gehen, so oft ein Leichenbegängniß ist, u. es an ihr ist, die Kirche zu besuchen.
Wir haben eüch gepfiffen u. ihr habet nicht getanzet!
Wir haben eüch Klaglieder gesungen u. ihr habet nicht getrauret!724
Vgl. Luk. 7,32: "Sie sind den Kindern gleich, die auf dem Markt sitzen und rufen einander zu: Wir haben euch aufgespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen und ihr habt nicht geweint."schliessen

So gehts immer fort von Jahrhundert zu Jahrhundert.
Alles glaubt, Freyheit zu haben, wenn man pfeift, nicht zu tanzen, u. wenn man Klaglieder singt, nicht zutrauren.
O Gott vom Himmel, sieh darein, u. lass Dich das erbarmen!
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